Kreta



Mehr Fotos von Kreta

„Only one day? From Germany? From Germany for only one day?“. Der Taxifahrer kann sich garnicht mehr beruhigen. Er soll uns vom Flughafen in Heraklion nach Knossos bringen. Ja, for only one day. Jedes Mal, wenn irgendwo irgendetwas auch nur im entferntesten an eine minoische Säule oder an die Hörner des Stieres erinnerten, geriet Micha ins Schwärmen, wie gerne er einmal nach Knossos wollte. Da war das Angebot des Reisebüros, das kurz vor Ostern auf den Tisch flatterte und einen Tagesausflug nach Kreta für 140 Mark, Kinder die Hälfte, anbot, doch ein Wink des Schicksals. Alle Bekannten schüttelten nur den Kopf, wie bitte, Tagesausflug nach Kreta, jetzt knallen die ganz durch.

Das Kind und ich waren gleich dabei: Olle Steine angucken, tolle Steine angucken.

So ging es frühmorgens mit dem Flieger ab Frankfurt los. Für das Kind der erste Flug, ein Abenteuer an sich. Als die Alpen sich durch den pastelligwolkigen Vorhang klitzeklein hochtief zeigen, quietscht eine lauthals los.

Dann Landeanflug in Heraklion, naiiiinn wieee nieeedlich, die kleine Insel im blaugrün schillernden Meer und ooohh, die Berge links sind aber verteufelt nah und daaa: Ist dort die Landebahn schon zuende?

Wir kommen sicher auf den Boden. Die Luft riecht nach Sonne und Meer und warmgoldenem Land. Neben uns im Bus maunzt etwas in einem kleinen Korb - das Kätzchen einer jungen Frau, die den Sommer immer hier verbringt. Putziges weißbuntes Etwas.

Mit dem Taxi und einem fassungslosen Fahrer geht es dann durch eine fremdartig wechselhafte Gegend Richtung Knossos. Die Straßen sind teils breit und gut, teils eng und sehr holprig. Die Häuser links und rechts strahlen manchmal in neumoderner Eleganz, daneben steht eine halb verfallene Hütte, in einem Hochhaus ist mitten drinnen ein halbes Stockwerk im Rohbau, weiße Wäsche flattert im Wind, drunter und drüber fertige Wohnungen. Erstaunen macht sich breit.

In Knossos angelangt werden wir von unserem Taxifahrer aufs herzlichste verabschiedet.

Einmal lurz Luft holen, es ist schon spannend, wenn man sich schon so lange nach einem Ort gesehnt hat. Wird er die erwarteten Freuden bringen, den Zauber und die Faszination.

Er tut es. Durch einen grünüberwachsenen Gang gehen wir zuerst auf den Platz mit dem einzelnen Bäumchen, was hier anscheinend als Begrüßungskomitee fungiert. Es ist angenehm warm und ein sanfter Wind weht. Rundum steigen hellgrüne, steinig kurzgrasige Wiesen hangaufwärts, sattgrüne, kegelige Bäume, über all dem ein strahlend blauer Himmel.

Die ollen Steine sind aufgeladen, vollgesogen mit Sonne, geben strahlend ihre Wärme ab. Die Hörner des Stieres laden Jule zum Verweilen, olle Steine zum Anfassen bleiben lange in Erinnerung.

Ob es richtig von den Archäologen war, die Holzteile der Decken teils aus Stahlbeton zu rekonstruieren und dann holzfarben zu streichen und die Säulen in Zielgelrot und Schwarzblau zu gestalten, ist umstritten. Für uns macht es das Besondere aus - rotblaue Säulen mit wulstigem Oberteil sind minoisch. Punktum. Und wenn das ganze Gelände seinerzeit nicht in irgendeiner Form rekonstruiert worden wäre, könnten wir es heute nicht besichtigen. Gerade der Wechsel zwischen den teils restaurierten Bereichen mit den Kopien der alten Fresken und den niedrigeren naturbelassenen Steinen macht die Spannung dieses Ortes aus. „Halbfertige“ Gebäude ragen in den Himmel, farnbewachsen, lassen sich, inspiriert durch alte Schautafeln, fertigdenken zu jenem monumentalen Gebäuden, die Menschen einst mit einfachen Mitteln und viel Sinn für Schönes erschaffen haben.

Nachdem wir bei den einfacheren Häusern schattig unter Bäumen uns langsam an das vergleichsweise doch sehr warme Wetter gewöhnt haben, schauen wir uns noch alte Stallungen an, und gehen dann unendlich hohe Treppen hoch.

Von hier aus blickt man bis zum Meer, das aus dieser Perspektive hellblau strahlend hinter viel Grün und Ocker liegt.
Ein starker Wind zaust warmsanft an den Haaren, verweht den Schal.

Die Fresken, auch überwiegend in Blau-Orange-Gold gehalten, sind wunderschön anzuschauen. Der Lilienprinz, die Tänzerin, die Delphine. Später werden sie uns zuhause und sogar in anderen Ländern immer wieder begegen. Und immer an einen wundervollen Sonnentag in Knossos erinnern.

Verwundert erfahren wir im Vorbeigehen an einer englischen Reisegruppe, daß hier schon eine sehr gute Kanalisation vorhanden war. Und das zu bronzenen Zeiten.

Das heilige Bassin ist beeindruckend. Und erst das Theater. Jule inszeniert gleich eine Aufführung.

Erschöpft und hungrig von so vielen Sensationen finden wir ein warmes Mahl auf der Terasse eines griechischen Restaurants. Erst mal ein eisgekühlter Frappee, dann Salat. Die Tomaten sind von einem Duft, einer Süße und Vollmundigkeit, haben den Charme vieler Sonnentage in sich aufgesogen, um ihn nun an uns weiterzureichen. Die Gurken schmecken gurkiger, der Pfeffer weiß und weich, das Öl olivig ... und überhaupt.

Die Busfahrt zurück nach Heraklion gestaltet sich zum Abenteuer. Zwar kommt schnell ein Bus, in den wir auch klettern. Aber wir haben keine Fahrkarten, diese wollten wir in Ermangelung eines Kartenhäuschens oder eines Automaten im Bus kaufen. Nach einer Weile verstehen wir, daß es die Karten in den Colabuden gibt. Der Bus hält an der nächsten Bude und schickt uns erst mal Karten holen. Das scheint hier ganz normal zu sein, denn er hält später auch noch für Einheimische an anderen Colabuden. Wie der Bus fährt, darauf will ich hier lieber nicht genauer eingehen.

In Heraklion bummeln wir ein wenig durch die Stadt in Richtung Hafen. An einem Brunnen trinken kleine Katzen. Geschäftige Ober wollen uns in ihr Restaurant ziehen. Unterwegs nehmen wir an einer Konditorei einen kleinen Nachtisch mit, den wir in einem Park auf einer Bank sitzend verspeisen. Das Kind legte eine Schaukelrunde auf dem Spielplatz ein und uns adoptiert ein alter Grieche, der uns abwechselnd begreiflich zu machen sucht, was für einen guten Mann bzw. Frau wir doch haben.

Später gehen wir weiter zum Hafen. Die alte Festung grüßt schon von Weitem. Der Blick aufs Meer ist grandios, hoch schlagen gischtige Wellen auf glatte Steine, das Meer ist von einer tiefen grünen Bläue, in der Ferne die Berge werden immer heller.

Die Festung liegt groß und ockerschwer auf dem Quai. Beeindruckend. Jule sammelt Muscheln, viel Wind bläst sie dabei fast weg.

Zurück zur Stadt kommen wir an einem Haus vorbei, das nach vorne eine prachtvolle Fassade zeigt, dahinter ist dann gar nichts mehr.

Über den Markt bummelnd riechen wir die ganze Vielfalt der südländischen Fülle. Fisch und Gewürze, duftigbunte Blumen, blinkender Schmuck, raschelnde Stoffe, kniserternde Spitze. Wir nehmen uns Gewürze mit, der ganze Reichtum verschiedener Düfte und Aromen vereinigt in einem kleinen Beutel.

In einer Seitengasse ist ein Schuster dabei, auf einem Schemel auf der Straße sitzend ein paar Schuhe zu fertigen.
Wir lassen die Eindrücke der Straßen und Häuser nochmal auf uns wirken. In einer anderen Straße finden wir ein kleines Lokal, wo wir nochmal mit vollaromatischen griechischen Speisen Abschied nehmen.

Ein Tag voller neuer Eindrücke, viele viele Bilder, die bleiben.

Unsere Fotos von Kreta